Montag, 14. März 2011
DVD-Tip G. Verdi Don Carlo
Obwohl ich vor ein paar Wochen bereits eine andere Inszenierung dieser Oper empfohlen habe, muß ich mich heute nochmal Giuseppe Verdis "Don Carlo" widtmen und empfehle eine zweite DVD dieses Werkes, das zu meinen absoluten Lieblingsopern gehört.
Don Carlos ist m.E. eine Männeroper, trotz der Liebesgeschichte um Carlos und die unglückliche Königin Elisabetta geht es vor allem um die Beziehungen der Männer zu- und untereinander: die Beziehung zwischen Don Carlo, dem Kronprinzen, und König Filippo, seinem Vater. Eine Beziehung, die geprägt ist von Angst, Verachtung und versteckter Sehnsucht. Die Beziehung zwischen Posa und Carlos, die neben einer persönlichen Freundschaft gemeinsame politische Ziele und Ansichten verbindet, die Beziehung zwischen Posa und Filippo, die Beziehung zwischen Filippo und seinem Großinquisitor. Daher steht und fällt jede Don Carlo-Aufführung mit der Besetzung dieser vier männlichen Rollen, und das ist auch der Grund, warum ich die folgende DVD empfehle:



Besetzung:

Don Carlo: Rolando Villazón
Rodrigo Marquis di Posa: Simon Keenlyside
Filippo: Ferruccio Furlanetto
Elisabetta: Marina Poplavskaya
Eboli: Sonia Ganassi
Dir.: Antonio Pappano
Covent Garden, 2008

Nein, die Inszenierung kann es nicht mit Willi Deckers genialem Don Carlo aufnehmen, den ich hier vor einigen Wochen empfohlen habe, nicht mal in Ansätzen. Und ja: man hört Villazón die Grenzpartie und die Stimmprobleme manchmal erschreckend deutlich an (und mehr als 2004 in Amsterdam), dennoch glaube ich nicht, daß man die männlichen Hauptrollen passender und vor allem rollendeckender besetzen kann als 2008 in London.
Gespielt wurde die fünfaktige italienische Fassung, also mit Fontainebleau-Akt.
Die Inszenierung ist schön anzusehen, aber relativ unspektakulär, die Regie beschränkt sich vor allem auf die unglückliche Liebe von Carlos und Elisabetta, das Eingangs erwähnte Beziehungsgeflecht der männlichen Figuren bleibt weitgehend außen vor. Daß die Aufführung dennoch packt liegt einzig daran, daß ALLE Sänger wirklich gute Darsteller sind und aus der Inszenierung herausholen, was herauszuholen ist.

Rolando Villazón ist für mich, allen Problemen zum Trotz, DER Don Carlo,er hatte alles, was es für diese Rolle braucht: die Musikalität, die düstere, melancholische Ausstrahlung, eine der schönsten Stimmen die je einem Tenor vom lieben Gott in die Kehle gelegt wurde, und eine fast schon unheimliche Rollenidentifikation. Leider kam die Rolle für ihn vermutlich zu früh, und manchmal werden die Probleme geradezu schmerzhaft deutlich. Am Carlos haben sich schon andere die Zähne ausgebissen...und doch...
In einer Besprechung zu einem Liederabend des ewigen Sorgenkindes schrieb der Kritiker vor ein paar Tagen"Welch ein Sänger wäre er geworden, wenn er sich mehr Zeit zum Reifen gelassen hätte". Das kann man nur mit Blut und Tränen unterschreiben...

Es ist lange her, daß ich einen Posa derart ergreifend habe sterben sehen wie Simon Keenlyside, er ist ein hervorragenderPosa, und seine ruhige, manchmal fast etwas spröde Bühnenausstrahlung bildet den idealen Gegenpol zum schwärmerisch-überschwänglichen Carlos von Rolando Villazón. Dieser Carlos baucht jemanden der ihn führt und leitet, und dieser Jemand ist Posa, den Keenlyside m.E. perfekt verkörpert.

Für Ferrucio Furlanettos überragende Leistung fehlen mir buchstäblich die Worte, und weil das so ist, will ich hier nun die Musik zu Wort kommen lassen.

Das Schwurduett Carlo-Posa im 2. Bild:
http://www.youtube.com/watch?v=LN4UKs_EH38

Filippos Arie "Ella giammai m'amo". Man KANN das nicht besser singen und spielen:
http://www.youtube.com/watch?v=pz-3WIQN2Vo

Posas Tod Teil 1:
http://www.youtube.com/watch?v=NUfS-obs1Dc
Posas Tod Teil 2:
http://www.youtube.com/watch?v=K2YPmIoFYbs



Die Damen mögen mir verzeihen, daß ich ihnen hier sowenig Beachtung gechenkt habe, aber die Stärke dieser Auffühurng liegt für moch eindeutig in den drei männlichen Protagonisten.
Marina Poplavskaya als Elisabetta singt um Lichtjahre besser als Amanda Roocroft in Amsterdam und ist optisch eine absolut glaubhafte junge Königin und wirklich gute Darstellerin. Sonia Ganassi ist eine gut singende, aber doch ziemlich harmlose Eboli, kein Vergleich zu dem Vulkan Agnes Baltsa, bei der man absolut verstehen konnte, warum Posa sie für so gefährlich hält, daß er ihr kurzzeitig nach dem Leben trachtet.
Damit zumindest Elisabetta zu ihrem Recht kommt und weil es so schön ist, hier noch ein Ausschnitt aus dem Fontainebleau-Akt, einer der wenigen glücklichen Momente für Held und Heldin:
http://www.youtube.com/watch?v=yke66Bm23zI

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