Sonntag, 22. September 2013
Fritz Wunderlich die Zweite...
Dieser Beitrag wurde vor vielen Monden für diesen Blog geschrieben, ich habe ihn (wie so viele andere Beiträge) versehentlich ins Internet-Nirvana geschickt. Da ich ihn aber auch an anderer Stelle veröffentlicht habe, ist er nicht ganz verloren, sodaß ich mir erlaube, mich hier selbst zu zitieren. Wenn es jemanden gibt, dem auf einem Opernblog Kränze geflochten werden müssen, dann ist es Fritz Wunderlich.

Fritz Wunderlich wurde am 26.September 1930 in Kusel (Pfalz) geboren und stammte aus einer musikalischen Familie: der Vater war Cellist und Kapellmeister, die Mutter Geigerin.
Nach dem Suizid des Vaters 1935 brachte seine Mutter die Familie mit Musikunterricht durch, auch Fritz und seine Schwester lernten verschiedene Instrumente und trugen so zum Unterhalt der Familie bei. Später finanzierte Wunderlich sein Gesangsstudium durch Tanzmusik.
Aus der Zeit des Studiums sind einige Tondokumente erhalten die vor einiger zeit auf CD veröffentlicht wurden: Wunderlich singt Schlager und spielt Trompete. Diese Aufnahmen sind es, die Götz Alsmann zu der Bemerkung veranlasst haben „Fritz Wunderlich hätte auch der deutsche Frank Sinatra werden können, wenn er das gewollt hätte“.
Und tatsächlich: wenn man seine Aufnahmen hört, hat man den Eindruck, es gibt nichts, was dieser Mann nicht singen konnte.
Fritz Wunderlich gilt bis heute als der bedeutenste lyrische Tenor Deutschlands, und als einer der wichtigsten weltweit. Zu seinen großen Rollen, gehörten Belmonte (Entführung), Almaviva (Barbier), Don Ottavio (Don Giovanni) und natürlich immer wieder Tamino (Zauberflöte). Tamino war die erste Hauptrolle die er gesungen hat (1954 in Freiburg, Schüleraufführung) Tamino war auch die letzte Opernpartie seines Lebens (1966 in Edinburgh).
1955 wurde er mit dieser Rolle auf einen Schlag berühmt: in Stuttgart engagiert sprang er für den erkrankten Josef Traxel ein. Eigentlich sollte, als Traxels Indisposition bekannt wurde, Wolfgang Windgassen einspringen, der sich jedoch geweigert hat, um Wunderich eine Chance zu geben.
Es gäbe da im Haus einen ganz wunderbaren jungen Kollegen, der das großartig machen würde.
Auch in Partien der italienische Oper konnte Wunderlich überzeugen, so 1965 in München als Alfredo in „La Traviata“ . Seine Violetta war die damals 23jährige Teresa Stratas. Germont, der Vater der soviel Unheil anrichtet, wurde gesungen von seinem Kollegen und engen Freund Hermann Prey. Zumindest für die Schallplatte hat er auch Puccini gesungen: Szenen aus „La Bohème“ und „Madama Butterfly“. Es gibt einen sehr schönen Live-Mitschnitt des „Butterfly“-Duetts mit Pilar Lorengar als Butterfly. Giuseppe DiStefano soll einmal gesagt haben Wunderlich sei der einzige Nicht-Italiener, der den großen italienischen Tenören das Wasser reichen könne , er sei „einer von uns“ .
Jedes Jahr schlug Wunderlich finanziell lohnende Opernangebote aus, um die großen Passionen zu singen. Auch in der geistlichen Musik hat er großes geleistet.

Neben seiner Opernkarriere war Wunderlich ein wunderbarer Liedersänger.
Legendär geworden ist ein Liederabend den er 1966 in Edinburgh, wenige Wochen vor seinem Tod gegeben hat: er sang die „Dichterliebe“ sowie Lieder von Schubert und Mozart. Vor einigen Jahren erschien dieses Dokument endlich auf CD. In den Jahrzehnten vorher war es technisch offenbar nicht möglich, die ursprünglich eher bescheidene Tonqualität soweit aufzubereiten, daß sie der großen Kunst dieses Ausnahmesängers gerecht wurde. Ich möchte behaupten, wer diese Aufnahme besitzt, braucht keine weitere. Das letzte Lied das er an jenem Abend gesungen hat war Franz Schuberts „An die Musik“
Wenige Tage später, am 17.September 1966 starb er an den Folgen eines Treppensturzes.
Kurz darauf hätte sein Debut in Amerika stattfinden sollen: als Don Ottavio in der MET in New York.
Wunderlich war nicht einmal 36 Jahre alt und hinterließ eine Ehefrau und drei Kinder.
Neben der persönlichen Tragödie (Hermann Prey kommentierte den Tod seines Freundes mit dem erschütterten „Ich habe meinen Zwillingsbruder verloren“) war Wunderlichs Tod ein Schock und Verlust für die Musikwelt. Was man damals bereits ahnte ist heute Gewissheit:
Fritz Wunderlich hat eine nicht zu schließende Lücke hinterlassen. Einen Nachfolger hat er, trotz gegenteiliger Behauptungen einiger Plattenfirmen, nie gefunden.
Als man den italienischen Tenor Luciano Pavarotti einmal gefragt hat wer seiner Meinung nach der bedeutenste Tenor der Geschichte sei antwortete er „Fritz Wunderlich“.
Rolando Villazón kommentierte Wunderlichs Schaffen mit den Worten
"Fritz Wunderlich gehört zu den Sängern, die ich keinen Moment als "historisch" empfinde. Wenn man ihn den Leuten vorspielen würde, die ihn nicht kennen, würden sie sagen: Wo singt der Mann, wo kann man ihn hören?"
Ich denke, Wunderlichs „Geheimnis“ ist die Tatsache, daß er, was immer er gesungen hat, alles ernst genommen hat. Er hat einem Operettenschlager oder einem Wiener Lied ebensoviel Aufmerksamkeit gewidmet wie einer Bach-Arie, einem Schubertlied oder seinen großen Opernrollen.
Er war frei von Arroganz irgendeiner Musikrichtung gegenüber, und das hört man seinem Gesang in jeder Sekunde an.

http://www.youtube.com/watch?v=EkOr5srbP-I

http://www.youtube.com/watch?v=D-VqK088TF4

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