Montag, 19. August 2013
In eigener Sache und etwas vom fliegenden Holländer
Es ist einige Monate her, daß ich diesen Blog versehentloch und nahezu komplett geschreddert habe.
Mittlerweile hat sich mein Zorn über meine Doofheit gelegt und ich habe beschlossen, einen zweiten Versuch zu wagen, hier an dieser Stelle.
Oder, wie sie in Venedig nach dem Brand und vor dem Wiederaufbau von La Fenice versprochen haben: "wo sie war und wie sie war".

Ich beginne mit einem Bericht über eien großartige aufführung der Oper "Der fliegende Holländer" de ich vor einigen Wochen in Wuppertal erlebt habe:
Opernhaus Wuppertal, 21.7.2013
Besetzung:

Holländer: Kay Stiefermann
Daland: Michael Tews
Senta: Turid Karlsen
Mary: Miriam Ritter
Steuermann: Christian Sturm

Chor und Extrachor der Wuppertaler Bühnen
Sinfonieorchester Wuppertal
Leitung: Florian Frannek
Regie: Jakob Peters-Messer


Vor einigen Wochen ging die aktuelle Spielzeit der Wuppertaler Bühnen mit der Geschichte vom bleichen Manne zu Ende. Es war zugleich die letzte Aufführung einer in der Spielzeit 2011/2012 umjubelten Produktion. Ich habe sie damals verpasst und war daher sehr froh, dass sie noch einmal für zwei Abende auf die Bretter kam.
Obwohl ich die Oper oft auf CD gehört habe, war es mein erster Holländer im Opernhaus, Wagner wird hier vergleichsweise selten gespielt, so dass sich nie die Gelegenheit ergab, ich war also gespannt auf die Aufführung.
Um es gleich zu Beginn zu sagen: ich bin immer noch hin und weg.
Doch der Reihe nach.
Die Ouvertüre wird so gespielt, wie sich das gehört: bei geschlossenem Vorhang.
Als der sich dann schließlich hebt gibt er den Blick frei auf eine Spielfläche, für die der komplette Bühnenraum samt Hinterbühne eingesetzt wird. Schwarze Vorhänge im hinteren Bühnenbereich verkleinern die Spielfläche bei Bedarf. Dalands Schiff wird durch eine eiserne Leiter am rechten Bühnenrand angedeutet sowie durch einige kräftige Taue an denen die Herren des Opernchores sich abarbeiten. Die Nebelmaschine hat ordentlich zu tun und sorgt für Nordseeatmosphäre. Die Zeit der Handlung ist aufgrund der vergleichsweise zeitlosen Kostüme nicht recht einzuordnen und könnte ebenso heute wie vor 100 Jahren spielen.
Auf der Linken Bühnenseite sehen wir eine Deckenkonstruktion bestehend aus mehreren Scheinwerfern, sie deuten das Segel des Geisterschiffs an. Es ist in diesem Fall nicht blutrot, sondern blendend hell und der Effekt bei der Ankunft des Holländers ist sehr eindrucksvoll: gleißende aber unwirkliche Helligkeit statt düster-romantischem Halbdunkel.
Der Steuermann singt sein Lied in einen modernen Schlafsack gehüllt und hat mir sehr gut gefallen. Daland wirkt mit seinem weißen Backenbart und der Kapitänskluft ein bisschen wie Käptn Iglo, da wurde für meinen Geschmack etwas zu sehr in die Klischeekiste gegriffen, aber er hat gut gesungen und Dalands kindische Gier angesichts der Schätze die der Holländer vor ihm ausbreitet gut rübergebracht. Fast gemahnte sein Gesichtsausdruck ein bisschen an Gollum und ich hätte mich nicht gewundert ihn „mein Schatz“ flüstern zu hören...

Auftritt des Stars des Abends: Kay Stiefermann. Ich gebe zu, dass ich vor allem seinetwegen in die Oper gegangen bin, denn die Besprechungen waren nach der Premiere zum Teil hymnisch und die wenigen Ausschnitte der regionalen Fernsehberichterstattung überaus faszinierend. Ich wurde nicht enttäuscht: dieser Holländer ist allein schon optisch ein wahrer Augenöffner: groß und schlank, wehender langer Mantel (natürlich in schwarz was ihm die Möglichkeit gibt, immer wieder mit den Bühnenvorhängen zu verschmelzen), schwarzes, enges Beinkleid, tragische Blässe im Gesicht, gewagte Punkfrisur mit halbrasiertem Schädel und Tätowierungen, dunkle Augengläser die immer dann zum Einsatz kommen wenn der Holländer nicht will, dass sein wahres Wesen entdeckt wird, ruhige, gemessene Bewegungen, angesichts Dalands Gier ein zynischer Ausdruck im Gesicht. Dazu und vor allem eine wirklich großartige Stimme und absolute Textverständlichkeit. Wow.
Erste Male sollen ja sehr prägend sein, ein künftiger Holländer wird sich also gewaltig anstrengen müssen, um diesen für mich Ersten zu überbieten.

Sentas Spinnstube ist hier ein Nähzirkel: junge und nicht mehr ganz so junge Damen arbeiten an ihren Brautkleidern und –schleiern. Alle nähen fleißig außer Senta, dich mich nur zum Teil überzeugen konnte. Nicht mehr ganz jung und nicht mehr ganz schlank entspricht sie leider zu sehr dem Klischee der blondbezopfen Wagnerheroine und kann das nur bedingt durch ihre Stimme ausgleichen, die in den Höhen manchmal etwas schrill war auch die Textverständlichkeit ließ einige Wünsche offen. Gespielt hat sie das schwärmerisch-neurotische Mädchen allerdings sehr gut und der Moment in dem sie und der Holländer einander zum erstenmal begegnen und gefühlte drei Stunden kein Wort miteinander wechseln sondern sich nur ansehen war großartig.
Des Holländers Bild hängt im übrigen nicht an der Wand sondern wird durch einen hellen Lichtfleck auf der Erde symbolisiert.Es ist der gleiche Lichtfleck, der im ersten Akt erscheint und in den sich der Holländer stellt wenn er von seinem gepriesnen Engel Gottes singt.

Erik singt gut und spielt hölzern. Ich an Sentas Stelle hätte mich auch für eine romantische Erlösungstat für den Holländer statt für eine Ehe mit Erik entschieden, mehr ist zu ihm nicht zu sagen. Vielleicht noch dies: im Duett zwischen ihm und Senta versteht man leider mal wieder kein Wort, was mehr als nur bedauerlich ist.

Auftritt des zweiten Stars des Abends: der Wuppertaler Opernchor. Ich werde nicht müde, diesen Chor, der mich bisher wann immer und wo immer ich ihn gehört habe begeistert hat, zu rühmen und zu preisen.
„Steuermann laß die Wacht“ räumt gewaltig und mit einem Chor der nicht nur singen sondern auch spielen kann räumt er noch mehr. Als die Männer die Mannschaft des Geisterschiffs auffordern beim fröhlichen Saufen mitzuhalten und dieser schließlich antwortet, wird es auf der Bühne finster und im Zuschauerraum blendend hell. Die Geisterstimmen antworten von irgendwo hinter mir und ich drehe mich doch wirklich und wahrhaftig um um zu sehen, wo sie denn ist, des Holländers Geistermannschaft.
Sie hat sich in geschickt angebrachten Lautsprechern versteckt und die paar Takte Musik wurden offenbar vor der Vorstellung aufgenommen, aber das habe ich erst verstanden als man es mir hinterher erzählt hat. Ein Trick, aber ein sehr wirkungsvoller.
Als Senta sich am Ende in die Tiefe stürzt (einen wahnwitzigen Augenblick lang habe ich gedacht, sie würde den Sprung in den Orchestergraben wagen) erlöschen die grellen Scheinwerfer die das Segel des Geisterschiffes bilden, zu den letzten Takten der Musik und während der Vorhang fällt gehen Senta Holländer auf der Hinterbühne unendlich langsam aufeinander zu. Ihre Vereinigung im Tod sehen wir nicht mehr.
Fazit: ich war und bin begeistert , trotz ein oder zwei Schwächen war es eine grandiose Aufführung und ich bin froh, in einem Land zu leben, in dem solch wunderbaren Vorstellungen (noch...) nicht nur in drei oder vier Metropolen zu erleben sind.
Chapeau und vielen Dank!

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Mittwoch, 5. Januar 2011
Oper im Kino: Der Freischütz
Zur Zeit läuft in den Kinos ein neuer Opernfilm: „Der Freischütz“ nach Carl Maria von Weber.
Ich mag diese Oper sehr, die Musik ist wunderbar und die Szene in der Wolfsschlucht gehört, zusammen mit Don Giovannis Höllenfahrt und dem Terzett Antonia-Mirakel-Stimme der Mutter aus "Hoffmanns Erzählungen" zu den ganz großen dämonischen Augenblicken der Operngeaschichte. Wenn sie denn gut umgesetzt wird, was hier leider nur sehr bedingt der Fall war.
Aber der Reihe nach, zunächst die Besetzung:

Juliane Banse (Agathe)
Michael König (Max)
Regula Mühlemann (Ännchen)
Michael Volle (Kaspar),
Olaf Bär (Kilian)
Franz Grundheber (Ottokar)
Benno Schollum (Kuno)
René Pape: Eremit


Es handelt sich um eine überaus naturalistische Umsetzung: wenn in der Ouvertüre der Wald beschrieben wird, sehen wir einen Wald, wenn es wild und dramatisch wird erleben wird Max und Kaspar im Schlachtgetümmel gegen Napoleons Truppen, wenn es dämonisch wird fährt die Kamera über verlassene Schlachtfelder und tote Soldaten, denn in dieser Verfilmung vermischen sich Krieg und Weltpolitik mit den privaten Geschicken von Max und Agathe. So wird zu den Klängen des Jägerchores der Friedensvertrag unterzeichnet und Europa am Kabinettstisch neu aufgeteilt, tote Soldaten liegen in der Wolfsschlucht ebenso rum wie vor Agathes Fasanen-Schlößchen. Nach einer Weile geht mir der ewige Hinweis darauf daß Krieg schlimm istallerdings gehörig auf die Nerven, denn trotz (oder wegen) einiger Horrorelemente (Greifvögel, die sich am Fleisch der Toten gütlich tun, Kriechtiere in Körperöffnungen in die sie nun wirklich nicht gehören etc.) sind die Bilder nicht schonungslos genug um wirklich zu vermitteln, was Krieg bedeutet und nicht eindringlich genug, die Seele zu berühren. Zumindest ging es mir so, all die toten Soldaten sehen aus wie das, was sie in Wahrheit sind: Komparsen die toter Mann spielen.
Wenn Kaspar dann in der Wolfsschlucht gar einem dieser Komparsen zwecks teuflischem Tun mit einem Fangmesser den Kopf abtrennt und das ganze von unappetitlichen Geräuschen begleitet wird, wirkt das fast schon unfreiwillig komisch...
Da wäre ich dann also schon beim großen Schwachpunkt des Films: ich habe selten eine so aseptische, un-dämonische Wolfsschlucht-Szene gesehen und mich schmerzlich nach über die Bühne gezogenen Wildschweinen aus dem Hause Steiff gesehnt, denn die wären immer noch gespenstischer als das, was uns hier geboten wurde: die Szene spielt nicht im Wald sondern in den Schluchten des Elbsandsteingebirges, was m. E. durchaus passend ist, denn ich habe mir die Wolfsschlucht immer als eine Felsenkluft vorgestellt und weniger als düstere Waldlichtung, aber leider wird hier viel zu viel mit Computeranimation, und noch dazu mit Schlechter, gearbeitet. Computeranimiertes Teufelsfeuer, computeranimierter Totenkopf, computeranimiertes was-auch-immer das zur Musik des Wilden Heers über den Himmel flattert etc. Das nimmt der Szene m. E. jede Schauerromantik, ist aber tricktechnisch auch nicht sooo grandios daß es wenigstens zu einem unpassenden aber begeisterten „Boah ey, Wahnsinn!“ reichen würde...
Wie gesagt: jedes Stadttheater kriegt das gruseliger und grausiger hin.
Die Idee, die Wolfsschlucht als verlassenes Schlachtfeld darzustellen ist nicht neu, aber meiner Meinung nach durchaus passend, nur gehört dazu mehr als ein paar Statisten mit Kunstblut einzusauen und in Uniformen zu stecken. Das Grauen dessen was hier einst geschehen ist und immer noch umgeht, ist leider in keiner Sekunde spürbar.
Auch Kaspar fällt in dieser Szene nicht viel mehr ein als laut rumschreien und sich am Boden wälzen wenn er mit Samiel verhandelt und den Gelassenen spielen sobald Max auftaucht. Schade, schade, schade.
Musikalisch hat mir die Szene jedoch recht gut gefallen, auch wenn es gewöhnungsbedürftig ist, diese Musik begleitet von allerlei Nebengeräuschen und in wechselnder Lautstärke zu hören, aber da dies ein Opernfilm ist und keine abgefilmte Vorstellung gelten hier nun mal andere Gesetze.
Etwas Gutes gibt es dann aber auch in dieser Szene: Samiel kommt nicht mit dröhnender Donnerstimme daher, sondern spricht ganz leise, sein „Hier bin ich“ am Ende der Szene ist fast geflüstert und man spürt, den Pakt mit dem Teufel gehen Kaspar und Max in ihrer Seele ein, denn der Teufel ist in ihrer Seele, in diesem Momente ist dann doch etwas von dem Grauen zu spüren daß ich so bitter vermisst habe.

Zu den Pluspunkten der Verfilmung gehört m. E. die Charakterisierung von Max. Der Max meiner Jugend war Rudolf Schock, und das heißt: der Förster im Silberwald der dummerweise zur Zeit vom Jagdglück verlassen und im Übrigen enervierend brav, fromm und langweilig ist.
Michael Königs Max ist alles andere als ein Förster im Silberwald,
von Beginn an befindet er sich in einem psychischen Ausnahmezustand, der ihn für Kaspars Einflüsterungen erst empfänglich macht.
Dieser Max wird tatsächlich von düsteren Mächten umgarnt und er zerbricht fast an der Frage „Lebt kein Gott?“.
Sein Problem ist wohl auch nicht in erster Linie, daß er nicht trifft (obwohl das in seiner aktuellen Situation natürlich nicht gut ist), sein Problem dürfte darin liegen, daß er in den letzten Jahren viel zu oft und viel zu gut getroffen hat, und nicht nur, was vier Beine oder Flügel hat...
Max ist dem Wahnsinn nahe und Kaspar, der äußerlich hier eher Ruhige, Beherrschte und Vernünftige hat leichtes Spiel.
Ich fand Maxens Charakterisierung sehr eindrucksvoll und ich an Agathes Stelle würde mir ernsthaft überlegen, ob ich so einen heiraten würde...

Michael Volle ist ein beeindruckender Kaspar, der zu Beginn gar nicht so finster daherkommt wie man das manchmal gewohnt ist: wo Max außer sich ist, ist er gelassen, kühl und wirkt im Gegensatz zu Max wohltuend aufgeklärt wenn er von „Naturkräften“ spricht.
In seiner Arie macht er schon sehr eindrucksvoll deutlich daß die „Geister mit Dunkel beschwingt“ auch ihn schon längst umgeben haben, und er singt wirklich gut.
Was mir gefällt: wüsste man nicht, welch Geistes Kind er ist, käme er für Agathe als echte Alternative zu Max in Frage,
da er wirklich ruhiger wirkt als sein doch sehr desolater Jagdgenosse. Was ihn diese Ruhe kostet weiß nur er, und es ist schon eindrucksvoll zu sehen, wie Kaspar, der eben noch in der Wolfsschlucht Freikugeln gegossen und Grausiges getan hat, kurze Zeit später scheinbar gelassen und ruhig im Gefolge des Landesfürsten reitet.

Agathe und Ännchen erleben den Polterabend im Fasanenschlößchen Moritzburg, dessen Schlossgarten offenbar gleichzeitig als Heerlager und Behelfslazarett dient. Wenn Agathe am Hochzeitsmorgen davon singt, daß Gott „aller Wesen liebend wahr“ nimmt, sehen wir einen toten jungen Soldaten, der im Brunnen vor dem Schloß gewaschen und in ein Leichentuch gelegt wird. Das geht mehr zu Herzenals alle toten Komparsen vorher.
Agathe ist sehr typgerecht besetzt, und das heißt: sehr erwachsen und reichlich überspannt. Mehrfach sinkt sie in Ohnmacht, hat quälende Träume von einem sie erschießenden Max und beginnt fast zu hyperventilieren als Max sie kurz vor seinem Aufbruch zur Wolfsschlucht in die Arme schließt. Man weiß nicht genau, ist es Angst oder im Gegenteil die äh...Vorfreude auf kommende eheliche Genüsse...
Agahte hat wunderschöne Musik zu singen (und wundershcön singen tut auch Juliane Banse), dennoch geht mir diese Person ziemlich auf die Nerven mit ihrer ewigen Unkerei und Miesepetrigkeit.
Da ist Ännchen eine wahre Erholung. Regula Mühlemann ist wunderbar in der Rolle: blutjung, sehr, sehr hübsch, charmant und lebhaft und dazu mit einer sehr schönen Stimme beschenkt.
Ich kann Max ja nicht verstehen...
Ännchen ist der fröhliche kleine Kobold dieser Verfilmung der zeigt, daß man tiefgründig, und dennoch heiter sein kann. Sie tut alles um Agathe aufzumuntern du benutzt dazu unter anderem ein Kasperle-Theater das neben einer Bühne sämtliche Figuren die im Freischütz vorkommen als Handpuppen enthält.
Mit diesen Figuren wird zu Beginn des Films, noch vor der Ouvertüre, auch die
Szene dargestellt in der Agathe vom Eremiten die geweihten Rosen erhält.
Ännchen symbolisiert die sprühende Lebensfreude in einer Welt voller gestörter und wohl auch traumatisierter Menschen und es ist eine wahre Freude und Erholung, ihr zuzusehen und zu hören.
Ich hoffe sehr, daß wir von Regula Mühlemann noch hören werden, ich glaube, sie könnte eines Tages eine ganz hinreißende Susanna sein.

Am Ende geht natürlich alles gut aus, dabei sieht es ja zunächst schlecht aus für Max und Agathe, aber dann: Auftritt René Pape.
Was soll ich über ihn sagen, er singt so wunderbar (und verströmt natürliche Autorität) daß man es ihm gar nicht hoch genug anrechnen kann, daß er sich bereit erklärt hat, die kleine und doch so wichtige Rolle des Eremiten zu übernehmen.

Fazit: mir hat der Film gefallen und ich bin froh, ihn gesehen zu haben. Er hat neben den erwähnten Schwachpunkten viele schöne Bilder und ist, soweit ich das beurteilen kann, von guter musikalischer Qualität, auch wenn das Hörerlebnis sich manchmal gewaltig von einer Aufführung im Opernhaus unterscheidet.
Aber ich denke die Suche nach „meinem“ Freischütz geht wohl dennoch weiter. Ich werde wohl weder die DVD noch eine eventuell auf den Markt kommende Aufnahme kaufen und stelle fest, daß ich mal wieder sehr schwer zufrieden zu stellen bin.
Ich denke, ein paar tote Soldaten und etwas Kunstblut weniger dafür aber mehr E.T.A. Hoffmann hätten dem Film gut getan, es fehlt für meinen Geschmack trotz der Bildgewalt doch an Atmosphäre.
Ach ja: im Übrigen scheinen vor allem Max und Kaspar die Segnungen von Wasser, Seife und Shampoo nocht nicht entdeckt zu haben. Das nur am Rande...

http://www.derfreischuetz.film.de/

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Sonntag, 24. Oktober 2010
"Don Giovanni" im Heimkino
Eigentlich wollte ich heute anfangen über das etwas schwierige Verhältnis zwischen mir und Richard Wagner zu schreiben und darüber, was wir tun um es zu verbessern, aber gestern ist mir ein phänomenaler "Don Giovanni" dazwischen gekommen, so daß Ricahrd I eben noch eine Weile warten muß.
Mein DVD und CD-Dealer hat geliefert und ich bin von der DVD so restlos begeistert, daß ich sie unbedingt ausfürlicher vorstellen muß:


Besetzung:
Don Giovanni: Bryn Terfel
Leporello: Ferruccio Furlanetto
Don Ottavio: Paul Groves
Commendatore: Sergei Kotchak
Donna Anna: Renee Fleming
Donna Elvira: Solveig Kringelborn
Zerlina: Hei-Kyung Hong
Massetto: John Relyea
Dirigent: James Levine
Regie: Franco Zeffirelli

Es handelt sich um eine Aufführung aus dem Jahr 2000 aus der MET. Die MET und Franco Zeffirelli bedeuten: große Ausstattungsoper, traditionelle Regie ohne einen Hauch von Regietheater. Das kann man mögen oder nicht, ich fand es nach all den Giovannis die in den letzten Jahren auf leeren Bühnen oder im grünen Wald zur Hölle gefahren sind überaus angenehm. Wenn Künstler wie Terfel und Furlanetto am Werke sind, hat die Langeweile ohnehin keine Chance, und die Höllenfarht selber war trotz sehr traditioneller Umsetzung um ein vielfaches nervenzerfetzender als bei so manchem Skandalregisseur.
Das Beiheft zur DVD verrät mir, daß sich die amerikanische Presse seinerzeit offenbar vor Begeisterung geradezu überschlagen und alle Beteiligten mit Lob überhäuft hat.
Allen voran den Titelhelden, Terfel habe gesungen "wie ein Engel" und wurde von manchen gar als bester Giovanni seit Cesare Siepi bezeichnet. Ob er das wirklich war kann ich nicht sagen, denn immerhin gab und gibt es eine ganze Reihe ausgezeichneter Interpreten dieser Rolle (außerdem kann ich Terfel ohnehin nicht fair beurteilen, da ich ihm, wie der geneigte Leser dieses Blog vermutlich schon bemerkt hat, sehr ergeben bin...).
Er ist aber ganz ohne Zweifel der dämonischste, ruchloseste Don den ich je erlebt habe. Er mordet mit einem Lächeln auf dem Gesicht, er hält den sterbenden Komtur im Arm und beobachtet dessen Todeskampf mit geradezu obszöner Neugier, er tut die um ein Haar gelungene Vergewaltigung Zerlinas mit einem zynischen Grinsen ab, er ist absolut unfähig zum Mitgefühl mit anderen Menschen, und wer bis dahin nicht begriffen hat was diesen Mann umtreibt, dem geht spätestens bei der Champagner-Arie ein schauerliches Licht auf: Terfels Don steigert sich in eine geradezu manische Raserei, die nichts, aber auch gar nichts mit Lebensfreude und Genuß zu tun hat. Selten habe ich mich aus anderen als musikalischen Gründen derart auf eine Höllenfahrt gefreut...
Daß er optisch nicht wirklich dem Idealbild des angeblich größten Liebhabers aller Zeiten entspricht, stört bei soviel dämonischer Ausstrahlung und sinistrer Sinnlichkeit nicht im Geringsten, ganz im Gegentei: wir haben es hier mit einem Don zu tun, dem man sein ausschweifendes Leben und seine Maßlosigkeit seit geraumer Zeit ansieht. Von dem eleganten Edelmann der er einst war ist nicht mehr viel übrig geblieben.
Terfel zur Seite Ferruccio Furlanatto in einer seiner Paraderollen: dieser Leporello ist nicht nur der geknechtete Diener seines Herrn, sondern macht sich mit ihm auf durchaus unsympathische Weise gemein und ist im Grunde keinen Deut besser als er. Endlich einmal wirkt die Verkleidungsszene nicht völlig albern: dank der gleichen (grauenvollen) Haartracht, einer ähnlichen Figur und dem geschickten hantieren mit Umhängen und Hüten, kommt die Verwechslung zwischen Giovanni und Leporello einigermaßen glaubhaft daher, zumal auf der Bühne tatsächlich das von Mozart vorgeschrieben Halbdunkel herrscht, was ja heutzutage auch keine Selbstverständlichkeit mehr ist...
Nur einmal wird diesem Leporello ganz kurz die Schau gestohlen, und das von Donna Elvira: während der Registerarie reagiert sie so tragisch-komisch, daß es ein bißchen schwer fällt, sich so auf Leporellos Gesang zu konzentrieren wie er es verdient hätte.
Solveig Kringelborn ist eine tolle Elvira, die ständig zwischen hysterischer Wut, schadenfrohem Rachedurst und aufrichtiger Sorge und Liebe hin-und hergerissen scheint.
Der Wandel geschieht, als sie begreift, daß der Don einen Mord auf dem Gewissen hat: jetzt geht es um mehr, als darum, daß ein Mann mit ihr geschlafen und sie dann wie ein Spielzeug weggeworfen hat. Das ist kein schöner Zug vom Don, aber wenn man dafür in die Hölle käme, hätten sie dort bald ein räumliches Problem...
Nein, sie sorgt sich um seine Seele, alle Hysterie ist von der Sängerin abgefallen, und aus irgendeinem Grund den nur er allein kennt, kann Giovanni ein echtes menschliches Gefühl das ihm entgegengebracht wird offenbar nicht ertragen. Er verliert nicht erst die Fassung als der Komtur auftaucht, er verliert sie bereits als Elvira ihn zur Umkehr auffordert. Mir hat diese Donna Elvira sehr gut gefallen, da sie m.E. die richtige Mischung aus Tragik und Komik in die Rolle bringt.
Renee Flemings Donna Anna ist ganz große Dame: edel in ihrer Trauer und ihrem Wunsch nach Gerechtigkeit fällt sie, anders als Elvira, nie aus der Rolle, sie singt wunderschön und es ist klar, daß sie eines Tages eine friedliche Ehe mit Don Ottavio führen wird. Die immer wieder gern diskutierte Frage, ob da was war zwischen ihr und Don Giovanni oder ob sie sich erotisch von ihm angezogen führt, kann hier mit einem ganz deutlichen "definitiv nicht!" beantwortet werden.
Ihr Don Ottavio ist Paul Groves, der mir gefallen hat, den ich aber nicht außergewöhlnich fand. Er ist treu, ergeben, edel aber gegen die geballte Bühnenpräsenz eines Giovani, gegen Leporellos gerissene Hinterhältigkeit und auch gegen den zu cholerischen Ausbrüchen neigenden Masetto schon ein bisserl fad. Ein Tenor eben... ;-)
Es gehört ein großer Sänger dazu, aus dieser Rolle mehr herauszuholen, mein Favorit ist derzeit Michael Schade, zu dem ich ein andermal kommen werde.
In den Ensembleszenen mit Elvira und Anna hat er mir allerdings sehr, sehr gut gefallen.
Hei-Kyung Hong und John Relyea als Bauernpaar Zerlina und Massetto versprühen Lebensfreude und singen toll. Hei-Kyung Hong ist eine kokette, neugierige Zerlina, die von Giovanni sehr fasziniert ist und mit dem Feuer spielt, umso eindrucksvoller ihr spürbares Entsetzen, als sie sich auf Giovannis Fest mit zerissenen Kleidern, gefesslet und knapp der Vergewaltigung entkommen, weinend in Masettos Arme flüchtet. Massetto ist für einen armen Bauern entschieden zu elegant gekleidet, selbst wenn man bedenkt, daß es sich um seinen Hochzeitstag handelt, ist es schon etwas komisch, daß er stilvoller daher kommt als der Edelmann dessen Gast er ist.

Fazit: mich hat dieser Opernabend vor dem Fernseher gepackt wie lange nichts mehr. Regietheater muß nicht schlecht sein, und traditionelles Theater muß nicht langweilig sein, wichtig ist, daß die Geschichte gut und glaubhaft erzählt wird, und das war hier der Fall.
Die Höllenfahrt will ich nicht beschreiben.
Seht selbst:

http://www.youtube.com/watch?v=Ue72gvJvpi8

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