Dienstag, 24. September 2013
Mimis Schwestern – ein ganz und gar unromantisches Thema
Das Folgende hat nur sehr am Rande mit dem zu tun, worum es auf diesem Blog gehen soll, aber es ist mir so wichtig und beschäftigt mich seit geraumer Zeit dermaßen, dass ich beschlossen habe, darüber zu schreiben.
Zu Beginn wird es doch ein wenig musikalisch: Mimi ist, wie wir wissen, die Heldin der Oper „La Bohème“ von Giacomo Puccini. Sie lebt in Paris in einer zugigen Mansarde und verdient ihr Geld als Näherin und Stickerin. Das Salär ist dermaßen gering, dass es weder zu einer anständigen Wohnung, noch zu Arztbesuchen und Medikamenten reicht um ihre kranke Lunge zu behandeln. Am Ende stirbt Mimi – an der Tuberkulose und an der Armut.
Mimi hat Schwestern. Auch sie arbeiten als Näherinnen, auch sie verdienen zu wenig für eine anständige Wohnung, von Arztbesuchen gar nicht zu reden. Sie sterben an Krankheiten an denen niemand sterben müsste. Oder sie verbrennen elendiglich an ihrem Arbeitsplatz.
Denn Mimis Schwestern leben in Bangladesch, in Indonesien,in Pakistan, in China. Im November 2012 starben mehr als hundert Textilarbeiter, die meisten Frauen, bei einem Brand in einer Fabrik in Bangladesch, im September des gleichen Jahres starben an die 300 Menschen bei einer Brandkatastrophe in einer Textilfabrik in Pakistan.
Auch wenn er nicht zu derartigen Katastrophen kommt sind die Arbeitsbedingungen dieser Menschen mehr als prekär: neben der schlechten Bezahlung gibt es übermäßig lange Arbeitszeiten von 12 und mehr Stunden, Arbeitsschutz ist so gut wie nicht vorhanden. Die Näherinnen sind zum Beispiel giftigen Chemikalien schutzlos ausgeliefert. Beim Brand in Bangladesch sollen die Fluchtwege verstellt gewesen sein, so daß die Menschen keine Chance hatten zu dem Feuer zu entkommen.
In diesen Fabriken und unter diesen Umständen wird Kleidung für die Billigkette „KiK“ produziert. Aber auch C & A lässt in diesen Ländern und unter derartigen Bedingungen produzieren. Einfach weil es billig ist.
Ich habe heute einen Test-Einkaufsbummel gemacht, weil ich vor einigen Monaten beschlossen habe, keine Kleidung mehr zu kaufen die auf solche Weise produziert wird. Das Ergebnis war haarsträubend. Bei C & A ist die Herkunft der Kleidung nicht festzustellen, es gibt keine Etiketten die darauf hinweisen, wo das Stück produziert wurde. Ich habe eine Verkäuferin gefragt wie ich feststellen könne, woher die Ware kommt. Ihre lapidare Antwort: „Gar nicht“.
Für mich ist damit klar: bei C & A kaufe ich nicht mehr. Das habe ich früher gelegentlich gerne getan, vor allem, wenn ich etwas hübsches (und billiges…) für einen Konzertauftritt gebraucht habe und nichts passendes im Schrank hatte.
Andere Ketten geben immerhin an, wo ihre Kleidung hergestellt wird: bei Orsay habe ich Kleidung aus Indonesien und Bangladesch entdeckt, in einer kleinen Boutique Mode aus China.
Ich werde mir in den nächsten Tagen noch weitere Geschäfte daraufhin genauer ansehen, aber ich denke, das Ergebnis dürfte ähnlich ausfallen.
Was also tun? Ich liebe Mode, ich liebe es, mich toll anzuziehen und es gibt für mich keine Entschuldigung dafür, geschmacklos gekleidet durch die Welt zu rennen, schließlich dauert es genauso lange einen hässlichen Pullover anzuziehen wie einen schönen. Da nehme ich lieber den Schönen.
Klar ist aber auch, dass ich es nicht mehr über mich bringen kann, Kleider aus Südostasien, China etc. zu kaufen. So wie andere Menschen ab einem bestimmten Zeitpunkt wissen, dass sie kein Fleisch mehr essen können, so kann ich diese Mode nicht mehr kaufen. Ich habe es viel zu lange getan, denn auch in meinem Schrank hängen neben „sauberer“ Kleidung aus dem DW-Shop der Welthungerhilfe „schmutzige“ Klamotten von Orsay & Co.
Die wird da auch hängen bleiben und ich werde sie weiterhin und so lange wie möglich tragen, denn niemandem ist geholfen wenn ich sie wegwerfe. Sie ist ja numal da.
Aber ich denke über künftige Kleiderkäufe nach und glaube, dass es da durchaus Möglichkeiten gibt.
1. Soviel wie möglich Secondhand kaufen. Auch wenn hier Stücke aus den fraglichen Ländern dabei sind: diese Kleidung ist (wie die Klamotten in meinem Schrank) bereits produziert und in Deutschland verkauft worden. Sie gebraucht zu kaufen kann helfen, weniger neue Ware aus Billigländern zu erwerben.
2. Es gibt Anbieter, die darauf achten, dass ihre Ware zu fairen und sicheren Arbeitsbedingungen produziert wird. Ich denke da besonders an Vivanda, Waschbär und den DW-Shop der Welthungerhilfe. Ich kaufe dort sehr, sehr gerne, denn die Kleider sind wunderschön. Sie sind auch sehr teuer, aber ich will mir angewöhnen, weniger, dafür hochwertiger zu kaufen, dann passt das schon.
3. Schneidern lassen. Ich bin nicht Mimi, ich kann nicht mit der Nähnadel umgehen (aber ich bin eine wirklich gute Stickerin ;-) ), aber es gibt in meiner Gegend einige kleine Schneidereien und Stoffgeschäfte in denen man Kleidung nicht nur reparieren sondern auch nähen lassen kann. Ich habe es bisher noch nicht gemacht, aber es ist weniger teuer als man annimmt, und auch hier gilt: lieber seltener kaufen, dafür mit gutem Gewissen.
4. Aus alt mach neu: statt einen neuen Pulli bei H & M lieber für’s gleiche Geld neue Accessoires kaufen: mit bunten Ketten, auffälligen Ohrringen oder verwegenem Haarschmuck lässt sich ein simpler schwarzer Strickpulli gehörig aufmotzen.
5. Ach ja: selber stricken.



http://www.waschbaer.de/
http://www.vivanda.de/
http://deinewelt.dw-shop.de/start/

NACHTRAG
Soeben höre ich im Radio, daß es erneut schockierende Bilder aus einer Textilfabrik in Bangladesch gibt, eine Fabrik, in der der Discounter "Lidl" produzieren läßt. Daß ich meinen Beitrag heute geschrieben habe ist ein Zufall, aber er zeigt, wie wichtig er ist.

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