Freitag, 12. November 2010
Musik zum Ewigkeitssonntag
Heute einer Woche ist Ewigkeitssonntag, im Volksmund nach wie vor gerne „Totensonntag“ genannt, eine treffliche Gelegenheit also, sich auch musikalisch mit den letzten Dingen zu beschäftigen, daher heute zwei CD-Tips für diesen Anlaß:

Wolfgang Amadé Mozart:
Requiem.


Es handelt sich um einen Livemitschnitt des Gedächtniskonzertes für Herbert von Karajan vom 16. Juni 1999 in Salzburg.
Manche bemängeln die raschen Tempi, und in der Tat geht es auch mir manchmal ein bisschen zu flott, aber dafür besticht die Aufnahme durch einen bestens aufgelegten Chor und ein herausragendes Solistenensemble mit einigen der besten Sängern ihrer Generation:
Karita Matila (Sopran)
Sara Mingardo (Alt)
Michael Schade (Tenor)
Bryn Terfel (Bass-Bariton)
Besser ging es in jenen Tagen wohl kaum.
Hier zwei Ausschnitte:

Das innig geliebte „Tuba mirum“. Das Solistenquartett kommt hier besonders gut zu Geltung, außerdem liebe ich die Soloposaune...


Das Lacrimosa, zu dem jeder Chorsänger, gleichgültig in welcher Liga er singt, wohl ein ganz besonderes Verhältnis hat: es handelt sich hier um die vermutlich letzte Musik die Mozart geschrieben hat, die Handschrift bricht nach den ersten acht Takten ab. Das Werk wurde u.a. von Mozarts Schüler Franz Xaver Süßmayr (angeblich nach Mozarts Anweisungen) vollendet Ich glaube nicht, daß man das Lacrimosa hören oder gar singen kann ohne an den sterbenden Musiker zu denken, der es geschrieben hat.



Wer es theatralischer mag, dem sei die Requiem-Vertonung von Giuseppe Verdi ans Herz gelegt:




Auch hier handelt es sich um einen Livemitschnitt. Ich hatte das große Glück, die Aufführung in der Kölner Philharmonie erleben zu dürfen und es war eines der beeindruckendsten Konzerterlebnisse meines bisherigen Lebens.
Unte Semyon Bychkov singen drei hervorrangende Chöre sowie ein ebenfalls herausragendes Soloquartett:

Violeta Urmana (Sopran)
Olga Borodina (Alt)
Ramòn Vargas (Tenor)
Ferruccio Furlanetto (Baß)
Im grandiosen Orchester ist vor allem das Duett zwischen den Orchestertrompeten und den Ferntrompeten zu erwähnen, daß sich immer weiter hochschaukelt bis man glaubt, gleich falle einem der Himmel auf den Kopf.
Im Chor ragt natürlich das gruseligste Dies Irae aller Zeiten heraus, das keinen Zweifel an den Schrecken des jüngsten Gerichts läßt.

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Werte Zerlina,

Sie haben mich wieder erwischt. Eiskalt. Ich gebe bereitwillig zu, ich habe das Verdirequiem bisher nie gehört, dafür sicher ein Dutzend andere Arrangements.

Aber man hat ja so ein Bild im Kopf, wenn von den „Tagen der wütenden Raserei“ (frei nach meinem alten Lateinlehrer) die Rede ist. Nach der alttestamentarischen Überlieferung war das ja nicht so ein Zuckerschlecken wie man sich das heute so vorstellt: kurzer Schnitt, dann entspannt jüngstes Gericht, dabei werden Häppchen gereicht – am Ende wandern alle bis auf die ganz Bösen in den Himmel. Früher ging da erstmal die gesamte Erde im Flammenmeer unter – so viele Überlebende waren im Plan nicht vorgesehen (dies irae dies illa…). Vor meinem Auge also die Welt, die gerade in Flammen/Fluten/Heuschrecken versinkt. Dazu paßt(e) für mich irgendwie Verdi nicht; den Job, die Apokalypse zu vertonen hätte ich ungesehen eher an die üblichen Herren fürs Bombastische vergeben.

Aber nun – ihr Tonbeispiel hat mich überzeugt und ich muß mir da wohl meine Meinung nochmal gründlich überdenken.

Einmal mehr: danke!

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Hallo Energist!

Die Aufnahme lohnt sich wirklich! Im Konzert habe ich damals nur noch die billigen Plätze HINTER dem Chor erwischt. Will sagen: wir saßen ganz oben unter dem Dach der Philharmonie und haben, wie der Chor, dem Dirigenten ins Gesicht gesehen. Die Solisten standen also mit dem Rücken zu uns, waren aber dennoch sehr gut zu hören, da die Akustik in diesem Haus wirklich großartig ist.
Der Blitzschlag kam, als das volle Orchester eingesetzt hat, denn zum ersten- (und bisher einzigen) mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl, Musik nicht zu hören sondern mitten in der Musik zu sein. Das passiert mir sonst nur beim selber-Trällern. Daher also ein weitere Tip: wer in der Nähe ist und Karten für die Philharmonie kauft, kann es bei einem Chor- und Orchesterwerk getrost mit den billigen Plätzen versuchen. Bei einem Arienrecital würde ich das allerdings nicht machen, aber Verdis Requiem räumt so gewaltig, daß es einen auch unterm Dach von den Sitzen fegt.

Im Übrigen macht Verdi seinen Job wirklich gut: anders als bei so manch anderer Vertonung ist das Jüngste Gericht hier nichts, daß irgendwann in einer fernen Zukunft passiert, und das man jetzt einfach schon mal besingt, nein, Verdi vermittelt den Eindruck, daß Weltenende kommt in der nächsten halben Stunde.

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