Freitag, 15. Oktober 2010
Rolando Villazón French Arias



Ich halte ihn für den faszinierendsten Singdarsteller seit Maria Callas: wie Callas ist Rolando Villazón mit einem unverwechselbaren Timbre beschenkt, wie Callas scheint er auf der Bühne keinerlei Kompromisse einzugehen, verliert sich mit Leib, Seele und Stimme an seine Rollen, und scheint in manchen Augenblicken geradezu zu verbrennen. Wie bei Callas fällt es manchmal schwer, andere Sänger in Rollen zu akzeptieren, in denen man ihn erlebt hat.
Wie aber auch bei Callas ist seine Karriere von Erfolgen ebenso geprägt wie von Stimmproblemen und Krisen. Er selber hat in einem Interview einmal bekannt, den Vergleich mit Maria Callas nicht zu mögen, aber es hilft nix: er drängt sich geradezu auf.
Auf seinem zweiten Studioalbum hat Villazón 2005 Arien von Charles Gounod und Jules Massenet gesungen, und dieses Album ist für mich nach wie vor sein Schönstes. Er singt Bekanntes und weniger Bekanntes und hat einige Rollen bereits auf der Bühne verkörpert.
Manche Kritiker werfen Rolando Villazón vor, das er dem französischen Stil nicht immer gerecht werde, aber wie sagte Ingeborg Bachmann über Callas: „Sie kann einen Ausdruck verfehlen, weil sie weiß, was Ausdruck überhaupt ist“.
Villazón weiß es auch, und hier verfehlt er ihn keineswegs.

Hier kann man in das Album reinhören:

http://www.amazon.de/Rolando-Villazon-Gounod-Massenet-Arias/dp/B0006IQM5I/ref=sr_1_2?ie=UTF8&qid=1287149224&sr=8-2

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Im "Tagesspiegel" stand gestern ein Artikel über das Lob der Kunstpause - Ein Krankenbesuch bei der Klassik von Christine Lemke-Matwey, der Sie vielleicht auch interessiert. Villazón kommt auch darin vor.

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Hallo Aboretum!
Danke für diesen sehr interessanten Link!
Da sie und Frau Lemke Rolando Villazón erwähnen : ich denke, er ist in diesem Trauerspiel sicher das prominenteste und (ob des ungeheuren Talents) vielleicht auch das tragischste Beispiel, aber nicht das einzige.
Zumindest bei Sängern ist der Schlüsselsatz m.E. „Wolfgang Windgassen konnte zeitlebens brav Ensemblemitglied in Stuttgart sein“. So etwas ist heute die absolute Ausnahme, ich weiß z.B. nicht, ob Jonas Kaufmann (den ich zu meiner Schande nicht so schätze wie er es vielleicht verdient hätte...) noch Mitglied der Oper Zürich ist wie er es vor dem großen Karriereschub lange Jahre war.
Eine Ausnahme bildet da wohl die grandiose Eva Mei, die nach meinem Kenntnisstand nach wie vor Ensemblemitglied dieses Hauses und m.E. stimmlich die wunderbarste Violetta seit Ileana Cotrubas ist.
Ich werde nicht müde zu betonen, daß eine so singuläre Ausnahmebegabung wie Fritz Wunderlich seinerzeit mit 36 Jahren am Beginn einer Weltkarriere stand, in einem Alter also, in dem man leider, leider, leider bereits ernsthaft um Rolando Villazóns Zukunft auf der Opernbühne fürchten muß und in dem auch andere Künstler bereits Krisen durchleben mussten, wenn auch nicht dermaßen im Fokus der Öffentlichkeit.
Ich habe nie darüber nachgedacht, aber spannend finde ich den Hinweis, daß Künstler als Platzhalter herhalten müssen, um an unserer Stelle die Grenzerfahrungen zu machen, für die wir im Publikum schon lange zu feige und zu vernünftig sind.
Sie sollen sich verbluten und verströmen, weil wir uns das nicht trauen. Da muß ich erstmal drüber nachdenken, aber es stimmt schon: auch mich faszinieren vor allem jene Künstler, die immer an ihre Grenzen und darüber hinaus zu gehen scheinen: Callas, Dessay, Wunderlich (der einem Burnout vielleicht nur durch seinen frühen Tod entkommen ist, wer weiß...) und selbstverständlich Villazón.
Auf der anderen Seite ist es gerade den Rolando Villazóns und Hélène Grimauds dieser Welt zu verdanken, daß die klassische Musik zumindest ein bisschen den Elfenbeinturm verlassen hat. Ich bin mir ganz sicher daß es ohne den (problematischen!!!) Hype um „Anna und Rolando“ heute keine Kinoübertragungen aus der MET, keine Opern zur besten Sendezeit auf 3Sat gäbe. So problematisch der Druck für Musiker auch sein mag wenn sie wissen, daß ihnen bei einer Kinoübertragung u.U. rund 200.000 Zuschauer zuhören werden, so wunderbar ist es für den Opernliebhaber in der Provinz, das es diese Möglichkeit gibt. Dafür allen Beteiligten ein aufrichtiges „Danke!“
Im Übrigen möchte ich erwähnen, daß es trotz allem Sänger gibt, die es schwerer haben als Rolando Villazón: der wird, bei allen ernsthaften und besorgniserregenden Problemen, nach wie vor von einem Großteil des Publikums von einer Welle der Zuneigung getragen (und man kann es wirklich nicht anders nennen). Dieses Glück hat nicht jeder Künstler.
Schön wäre, wenn die Kunst in einer Sache vom Sport lernen würde: Krisen, Probleme und „verletzungsbedingte“ Auszeiten nicht als Schwäche und Unfähigkeit zu sehen, sondenr als manchmal schon fast unvermeidbare Folge schier übermenschlicher Belastungen des Stimm- oder Bewegungsapparates.

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