Donnerstag, 21. Oktober 2010
Papagenas Opernführer W.A. Mozart Le nozze di Figaro
Heute soll es um meine Lieblingsoper gehen, deren Finale ich vor kurzem bereits ein eigenes kleines Thema gewidmet habe:
„Le nozze di Figaro – Figaros Hochzeit“ von Wolfgang Amadé Mozart.
Die Oper wurde am 1. Mai 1786 in Wien uraufgeführt und basiert auf dem Theaterstück „Der tolle Tag oder: Figaros Hochzeit“ von Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais, das Libretto schrieb Lorenzo DaPonte.
Es ist nicht ganz leicht, die Handlung mit wenigen Worten zu erklären, daher werden es wohl ein paar mehr werden, ich bitte also um etwas Geduld.
Stilistisch haben wir es fast schon mit einer Boulevard-Komödie zu tun: einem turbulenten, witzigen Stück voller Verwechslungen, Situationskomik, Versteckspielen, Männern in Frauenkleidern, Liebe, Eifersucht und Rache. Und doch hat das Werk noch eine andere, ernstere Ebene, denn die Handlung spielt nicht einmal 10 Jahre vor Beginn der französischen Revolution, die ganze Welt wird sich in den nächsten Jahren verändern, und was hier noch Scherz ist, wird einst blutiger Ernst werden. Das pikante daran ist, daß Theaterstück und Oper VOR der Revolution entstanden sind...
Hier also die Handlung:

Wir befinden uns in einem Schloß in der Nähe von Sevilla, man schreibt das Jahr 1780.
Der Schlossherr, Graf Almaviva ist seit einigen Jahre mit Rosina verheiratet, es war eine Liebesheirat, daher hat er anläßlich der Eheschließung
das „Recht der ersten Nacht“ aufgegeben.
Dieses alte Feudalrecht gewährte ihm Anspruch auf die Jungfräulichkeit jedes Mädchens das in seinem Machtbereich geheiratet hat. Deutlicher gesagt: vor dem Ehemann durfte der Graf und die Braut konnte nichts dagegen tun.

Der Graf beginnt, sich in seiner Ehe zu langweilen, und da er promisk veranlagt ist, und Susanna (die Zofe seiner Frau) kurz vor der Eheschließung mit Figaro (seinem Kammerdiener) steht, würde er das alte Recht nur zu gerne wieder einführen, denn Susanna ist ein munteres hübsches Mädchen, das dem Grafen sehr gefällt.
Da er aber das einmal aufgegebene Recht schlecht wieder einführen kann,
versucht er Susanna mit Schmeichelei, schäbigen Tricks und auch Geld rumzukriegen.

Diverses Bühnenpersonal hat aus diversen Gründen viel dagegen: Susanna und Figaro weil sie einander lieben, die Gräfin Almaviva weil sie ihren Mann liebt und es außerdem eine große Demütigung wäre. Aber auch gegen Susannas Ehe wird intrigiert: vom Grafen aus den bekannten Gründen, von Marzellina weil sie Absichten auf Figaro hat, von Dr. Bartolo weil er noch eine alte Rechnung mit Figaro offen hat und ihm eins auswischen will.
Außerdem gibt es noch die Nebenhandlung um den in alle Welt verliebten Pagen Cherubino, der jede Frau im Schloß anschmachtet und vor lauter erotischem Verlangen nicht weiß wohin mit sich und die Gärtnerstochter Barbarina mit der Almaviva vermutlich mehr als nur Händchen gehalten hat.

Susanna, Figaro und die Gräfin verbünden sich miteinander, um Susanna vor dem Grafen zu schützen, ihm einen Denkzettel zu verpassen und, wenn möglich, das Eheglück der Gräfin wieder herzustellen und das Susannas und Figaros zu begründen.

Es folgt nun ein über mehrere Akte gehendes Verwirrspiel mit vertauschten Identitäten, vertauschten Geschlechtern, und verschleierten Absichten bei dem kein Theatertrick ausgelassen wird, einschließlich der Entdeckung, daß Figaro in Wahrheit von edler Geburt und der verlorene Sohn von Marzellina und Bartolo ist.

Die Handlung gipfelt darin, daß Susanna und die Gräfin um Mitternacht im Schloßpark die Kleider tauschen, sodaß der Graf, der an ein Rendez-Vous mit Susanna glaubt, erkennen muß, daß er seine eigene Frau umgarnt hat.
Am Ende löst sich das ganze Chaos in Wohlgefallen und im schönsten Opernfinale auf, das je ein Komponist ersonnen hat: „Contessa perdono...“.
Der Graf gibt seine Absichten auf Susanna (vorerst?) auf und bittet seine Frau beschämt um Verzeihung. Dem Glück von Susanna und Figaro steht nichts mehr im Wege und auch für Graf und Gräfin ist bis auf Weiteres Friede eingekehrt.


Hier nun ein paar Ausschnitte aus verschiedenen Inszenierungen:

„Se vuol ballare...“
Figaro hat soeben von seiner Braut erfahren, daß der Graf sie mit eindeutigen Anträgen verfolgt und sagt ihm den Kampf an: „Wenn sie tanzen wollen Herr Graf, spiele ich dazu die Gitarre...“
Feruccio Furlanetto als Figaro.
http://www.youtube.com/watch?v=2THV4GXppZE

„Porgi amore...“
Die Gräfin betrauert ihr entschwundenes Glück.Renee Fleming als Gräfin:
http://www.youtube.com/watch?v=NToJ2phG7Qk

„Che soave zefiretto...“
Susanne und die Gräfin schreiben einen Brief, der den untreuen Ehemann in eine Falle locken und zur Vernunft bringen soll.
Claire Watson und Reri Grist.
http://www.youtube.com/watch?v=JEkEAaJFCOg&p=2CFD5390B40CE337&playnext=1&index=12

„Deh vieni non tardar..."
Susanna sehnt ihr Glück mit Figaro herbei. Es singt Alison Hagley.
http://www.youtube.com/watch?v=cJHlJdocmnM

Ich hatte das Glück in diesem Sommer in München eine Vorstellung mit Ildebrando D’Arcangelo in der Titelrolle sehen zu dürfen, musikalisch sicher der beste Figaro den ich bisher live erleben durfte. Da ich jedoch hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen, also in der Provinz, wohne, und die Anreise in alle bedeutenden Opernhäuser lang und teuer ist, sind Live-Erlebnisse mit Künstlern von Weltrang ein seltener Luxus für mich. In aller Regel bin ich auf unser Stadttheater oder auf CD und DVD angewiesen.
Ich werde daher in den nächsten Tagen zwei meiner Lieblings-DVDs vorstellen.


Mit „Figaros Hochzeit“ hat Mozart den zweiten Teil von Beaumarchais’ Figaro-Trilogie in Musik gesetzt.
Der erste Teil („Der Barbier von Sevilla“) wurde 30 Jahre später, also 1816, von Gioacchino Rossini vertont. Hier wird die Vorgeschichte erzählt: wie Figaro und Graf Almaviva einander kennenlernten, und wie es kam, daß Rosina, die spätere Gräfin, seine Frau wurde.
Im letzten Teil „Ein neuer Tartuffe oder: Die Schuld der Mutter“ erzählt Beaumarchais dann, wie es mit Figaro und Susanna, dem Grafen und der Gräfin, Cherubino und allen anderen weiterging . Der letzte Teil seiner Trilogie entstand um 1792, also während der französischen Revolution und ist durchaus desillusionierend.
Für die, die es trotzdem wissen wollen:

Gut zwanzig Jahre sind vergangen, Figaro und Susanna sind weiterhin in Diensten des gräflichen Paars, das nun in Frankreich lebt.
Almaviva und die Gräfin hatten einen Sohn (den gab es im „Figaro“ noch nicht) der jedoch im Duell gefallen ist. Die Gräfin hat zudem einen außerehelichen Sohn dessen Vater – Cherubino ist (angeblich als Folge einer Vergewaltigung, aber ich weiß nicht, ich weiß nicht...) während der Graf sich um ein Mündel zu kümmern hat das in Wahrheit seine uneheliche Tochter ist. Wieder gibt es Verwirrungen, wieder geht es um eine Heirat und wieder wird dank Figaro und Susanna alles gut.

Beaumarchais hat einmal über „Die Hochzeit des Figaro“ gesagt
„Oh, wie ich es bedaure, daß ich aus diesem moralischen Thema keine blutige Tragödie gemacht habe. Ich hätte dem gekränkten Gatten, den ich nicht Figaro genannt hätte, einen Dolch in die Hand gegeben und ihn in seiner zornigen Eifersucht mit edler Geste den mächtigen Lüstling erstechen lassen“

Gut, daß er es nicht getan hat, denn Eifersuchtstragödien gibt es auf den Brettern zur Genüge und wer weiß, ob Mozart eine solche vertont hätte.

Noch eines zum Schluß: für den Genuß dieser Oper sind entweder sehr gute Italienischkenntnisse erforderlich, oder aber die heute in den meisten Theatern üblichen Übertitel die es einem ermöglichen, dem Lauf der Handlung zu folgen. Ein Großteil der Komik geht verloren wenn man den Text nicht versteht.

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Und noch eine Inszenierung
Werte Papagena,

Sie werden es kaum glauben, woher ich gerade komme. Doch, noch habe ich die Krawatte umgebunden, ich war heute abend in der Oper. Und – ganz ohne die letzten beiden Tage Ihren Blog gelesen zu haben – es war ebengenau jenes Stück, das mich dorthin zog.

Die Inszenierung – falls es Sie interessiert – empfand ich als wohlgelungen, Kihwan Sim als Figaro gut und sicher, auch die restlichen Hauptrollen gut besetzt (die Zweitbesetzung der Suzanna toll im Schauspiel und im Gesang!). Eine feine Idee fand ich es auch, während der Ouvertüre Szenen aus dem Barbier von Sevilla als Schattenriss gegen eine lichtgeflutete Leinwand vorzuführen – in Rokoko-Gewändern, während im Stück selbst „normale“ Bühnenkostümierung zum Einsatz kam.
Bühnenbild klassisch, zurückhaltend – auch top!

Bevor ich Ihnen zustimme, daß der Figaro das schönste Finale aller Opern besitzt muß ich zwar nochmal darüber schlafen, aber Recht haben Sie allemal: es ist eine wunderbare Oper, die neben Anspruch auch viele Stellen hat, die schön im Kopf nachhallen, wenn man nach Hause läuft.

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hoppla
Ich muß revozieren: Susanne Serfling scheint keineswegs die Zweitbesetzung für die Suzanna zu sein, die Darstellung ist nur etwas.. unglücklich. Also, sie war es, die ich heute abend in jeder Hinsicht herausragend fand.

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Hallo Energist!
Ich gebe zu, ich beneide sie! Figaro gehört zu den Opern für die ich auf sämtlichen Nachtschlaf verzichten würde!
Darf ich fragen, in welchem Opernhaus sie waren? Jedenfalls ist es eine gute Idee, die Vorgeschichte kurz zu umreißen, normalerweise bin ich ja kein Freund illustrierter Ouvertüren, aber wenn es gut gemacht ist...
Morgen wartet Don Giovani auf mich, leider nur im Heimkino via DVD, dafür in toller Besetzung: Furlanetto, Fleming und in der Titelrolle der unverzichtbare Bryn Terfel.

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Werte Zerlina, das Haus habe ich oben schon passend verlinkt. Und – so mein Eindruck – das Darmstädter Staatstheater macht sich. Auch wenn mir von Bekannten, die dort arbeiten allerlei Unschönes berichtet wird – der „Output“ stimmt meistens. Und ein Künstlerbetrieb ganz ohne Drama scheint einfach nicht zu gehen.

In dieser Spielzeit stehen noch ein paar schöne Stücke auf dem Programm (auch der Figaro noch mehrere Male)... falls Sie also demnächst mal durch das Rhein-Main-Gebiet reisen: ich freue mich immer über angenehme Begleitung! Natürlich nur, wenn Sie mir nachsehen können, daß ich hinter Ihrem umfangreichen Wissen sehr zurückstehen muß.

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Figaro ist natürlich eine großartige Oper, aber an dem Finale mißfällt mir eines: man weiß doch eigentlich jetzt schon, daß der Graf es nicht so meint. Er wird's wieder tun, ohne Rücksicht auf Verluste. Und ich glaube, Mozart wußte das auch.
Trotzdem liebe ich die Oper sehr.

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Vor einigen Jahren sah ich mehrmals eine zauberhafte Inszenierung von Alcina vom damaligen Opernchef des Staatstheaters Darmstadt, Friedrich Meyer-Oertel, mit dem Sopranisten Arno Raunig in der Rolle des Ruggiero.

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Hallo Energist!
Ups, den Link habe ich gar nicht bemerkt. Danke für den Hinweis.
Wer weiß, wenn es mich mal in ihre Nähe verschlagen sollte mache ich von ihrem netten Agnebot Gebrauch.
Was nun mein Wissen anget, so liest sich das wilder als es ist. Ich verbinge mein Berufsleben in enem Raum voller Bücher, Noten und CDs zu klassischer Musik, da bleibt ab und zu mal was hängen ;-)
Hallo Damenwahl!
Ja natürlich: man weiß, daß der Friede nicht von Dauer sein wird, aber Mozart schafft es, daß zumindest mir das in diesem Moment vollkommen egal ist...
Allen einen schönen Sonntag.

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