Sonntag, 24. Oktober 2010
"Don Giovanni" im Heimkino
Eigentlich wollte ich heute anfangen über das etwas schwierige Verhältnis zwischen mir und Richard Wagner zu schreiben und darüber, was wir tun um es zu verbessern, aber gestern ist mir ein phänomenaler "Don Giovanni" dazwischen gekommen, so daß Ricahrd I eben noch eine Weile warten muß.
Mein DVD und CD-Dealer hat geliefert und ich bin von der DVD so restlos begeistert, daß ich sie unbedingt ausfürlicher vorstellen muß:


Besetzung:
Don Giovanni: Bryn Terfel
Leporello: Ferruccio Furlanetto
Don Ottavio: Paul Groves
Commendatore: Sergei Kotchak
Donna Anna: Renee Fleming
Donna Elvira: Solveig Kringelborn
Zerlina: Hei-Kyung Hong
Massetto: John Relyea
Dirigent: James Levine
Regie: Franco Zeffirelli

Es handelt sich um eine Aufführung aus dem Jahr 2000 aus der MET. Die MET und Franco Zeffirelli bedeuten: große Ausstattungsoper, traditionelle Regie ohne einen Hauch von Regietheater. Das kann man mögen oder nicht, ich fand es nach all den Giovannis die in den letzten Jahren auf leeren Bühnen oder im grünen Wald zur Hölle gefahren sind überaus angenehm. Wenn Künstler wie Terfel und Furlanetto am Werke sind, hat die Langeweile ohnehin keine Chance, und die Höllenfarht selber war trotz sehr traditioneller Umsetzung um ein vielfaches nervenzerfetzender als bei so manchem Skandalregisseur.
Das Beiheft zur DVD verrät mir, daß sich die amerikanische Presse seinerzeit offenbar vor Begeisterung geradezu überschlagen und alle Beteiligten mit Lob überhäuft hat.
Allen voran den Titelhelden, Terfel habe gesungen "wie ein Engel" und wurde von manchen gar als bester Giovanni seit Cesare Siepi bezeichnet. Ob er das wirklich war kann ich nicht sagen, denn immerhin gab und gibt es eine ganze Reihe ausgezeichneter Interpreten dieser Rolle (außerdem kann ich Terfel ohnehin nicht fair beurteilen, da ich ihm, wie der geneigte Leser dieses Blog vermutlich schon bemerkt hat, sehr ergeben bin...).
Er ist aber ganz ohne Zweifel der dämonischste, ruchloseste Don den ich je erlebt habe. Er mordet mit einem Lächeln auf dem Gesicht, er hält den sterbenden Komtur im Arm und beobachtet dessen Todeskampf mit geradezu obszöner Neugier, er tut die um ein Haar gelungene Vergewaltigung Zerlinas mit einem zynischen Grinsen ab, er ist absolut unfähig zum Mitgefühl mit anderen Menschen, und wer bis dahin nicht begriffen hat was diesen Mann umtreibt, dem geht spätestens bei der Champagner-Arie ein schauerliches Licht auf: Terfels Don steigert sich in eine geradezu manische Raserei, die nichts, aber auch gar nichts mit Lebensfreude und Genuß zu tun hat. Selten habe ich mich aus anderen als musikalischen Gründen derart auf eine Höllenfahrt gefreut...
Daß er optisch nicht wirklich dem Idealbild des angeblich größten Liebhabers aller Zeiten entspricht, stört bei soviel dämonischer Ausstrahlung und sinistrer Sinnlichkeit nicht im Geringsten, ganz im Gegentei: wir haben es hier mit einem Don zu tun, dem man sein ausschweifendes Leben und seine Maßlosigkeit seit geraumer Zeit ansieht. Von dem eleganten Edelmann der er einst war ist nicht mehr viel übrig geblieben.
Terfel zur Seite Ferruccio Furlanatto in einer seiner Paraderollen: dieser Leporello ist nicht nur der geknechtete Diener seines Herrn, sondern macht sich mit ihm auf durchaus unsympathische Weise gemein und ist im Grunde keinen Deut besser als er. Endlich einmal wirkt die Verkleidungsszene nicht völlig albern: dank der gleichen (grauenvollen) Haartracht, einer ähnlichen Figur und dem geschickten hantieren mit Umhängen und Hüten, kommt die Verwechslung zwischen Giovanni und Leporello einigermaßen glaubhaft daher, zumal auf der Bühne tatsächlich das von Mozart vorgeschrieben Halbdunkel herrscht, was ja heutzutage auch keine Selbstverständlichkeit mehr ist...
Nur einmal wird diesem Leporello ganz kurz die Schau gestohlen, und das von Donna Elvira: während der Registerarie reagiert sie so tragisch-komisch, daß es ein bißchen schwer fällt, sich so auf Leporellos Gesang zu konzentrieren wie er es verdient hätte.
Solveig Kringelborn ist eine tolle Elvira, die ständig zwischen hysterischer Wut, schadenfrohem Rachedurst und aufrichtiger Sorge und Liebe hin-und hergerissen scheint.
Der Wandel geschieht, als sie begreift, daß der Don einen Mord auf dem Gewissen hat: jetzt geht es um mehr, als darum, daß ein Mann mit ihr geschlafen und sie dann wie ein Spielzeug weggeworfen hat. Das ist kein schöner Zug vom Don, aber wenn man dafür in die Hölle käme, hätten sie dort bald ein räumliches Problem...
Nein, sie sorgt sich um seine Seele, alle Hysterie ist von der Sängerin abgefallen, und aus irgendeinem Grund den nur er allein kennt, kann Giovanni ein echtes menschliches Gefühl das ihm entgegengebracht wird offenbar nicht ertragen. Er verliert nicht erst die Fassung als der Komtur auftaucht, er verliert sie bereits als Elvira ihn zur Umkehr auffordert. Mir hat diese Donna Elvira sehr gut gefallen, da sie m.E. die richtige Mischung aus Tragik und Komik in die Rolle bringt.
Renee Flemings Donna Anna ist ganz große Dame: edel in ihrer Trauer und ihrem Wunsch nach Gerechtigkeit fällt sie, anders als Elvira, nie aus der Rolle, sie singt wunderschön und es ist klar, daß sie eines Tages eine friedliche Ehe mit Don Ottavio führen wird. Die immer wieder gern diskutierte Frage, ob da was war zwischen ihr und Don Giovanni oder ob sie sich erotisch von ihm angezogen führt, kann hier mit einem ganz deutlichen "definitiv nicht!" beantwortet werden.
Ihr Don Ottavio ist Paul Groves, der mir gefallen hat, den ich aber nicht außergewöhlnich fand. Er ist treu, ergeben, edel aber gegen die geballte Bühnenpräsenz eines Giovani, gegen Leporellos gerissene Hinterhältigkeit und auch gegen den zu cholerischen Ausbrüchen neigenden Masetto schon ein bisserl fad. Ein Tenor eben... ;-)
Es gehört ein großer Sänger dazu, aus dieser Rolle mehr herauszuholen, mein Favorit ist derzeit Michael Schade, zu dem ich ein andermal kommen werde.
In den Ensembleszenen mit Elvira und Anna hat er mir allerdings sehr, sehr gut gefallen.
Hei-Kyung Hong und John Relyea als Bauernpaar Zerlina und Massetto versprühen Lebensfreude und singen toll. Hei-Kyung Hong ist eine kokette, neugierige Zerlina, die von Giovanni sehr fasziniert ist und mit dem Feuer spielt, umso eindrucksvoller ihr spürbares Entsetzen, als sie sich auf Giovannis Fest mit zerissenen Kleidern, gefesslet und knapp der Vergewaltigung entkommen, weinend in Masettos Arme flüchtet. Massetto ist für einen armen Bauern entschieden zu elegant gekleidet, selbst wenn man bedenkt, daß es sich um seinen Hochzeitstag handelt, ist es schon etwas komisch, daß er stilvoller daher kommt als der Edelmann dessen Gast er ist.

Fazit: mich hat dieser Opernabend vor dem Fernseher gepackt wie lange nichts mehr. Regietheater muß nicht schlecht sein, und traditionelles Theater muß nicht langweilig sein, wichtig ist, daß die Geschichte gut und glaubhaft erzählt wird, und das war hier der Fall.
Die Höllenfahrt will ich nicht beschreiben.
Seht selbst:

http://www.youtube.com/watch?v=Ue72gvJvpi8

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Freitag, 22. Oktober 2010
DVD-Tips Le nozze di Figaro
Analog zum Opernführer hier nun meine beiden Lieblings-DVDs der Oper „Le nozze di Figaro“:



Eine Produktion des Royal Opera House Covent Garden von 2006
Besetzung:

Figaro: Erwin Schrott
Susanna: Miah Persson
Graf Almaviva: Gerald Finley
Gräfin Almaviva: Dorothea Röschmann
Cherubino: Rinat Shaham
Dirigent: Antonio Pappano
Regie: David McVicar

Erwin Schrott in der Titelrolle. Schrott ist m.E. kein Jahrhundertsänger, stimmlich kann er mit den ganz großen Interpreten dieser Rolle vielleicht nicht völlig mithalten (dazu fehlen ihm das sinnliche Timbre eines Cesare Siepi oder Ildebrando D’Arcangelo und die feinen Nuancierungen eines Bryn Terfel),
aber wenn alles passt ist er ein guter Sänger. Bei dieser Aufführung im Jahr 2006 (London, Covent Garden) muß es besonders gut gepasst haben, denn Schrotti ist als Figaro umwerfend.
Ich schätze ganz besonders seine Art mit den Rezitativen umzugehen: dieser Sprechgesang kann leicht langweilig wirken, dabei ist er doch so wichtig für den Fortgang der Handlung. Schrott bringt seine Rezitative in einer grandiosen Mischung aus Gesang und Sprache, und so fließend und natürlich, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt, sich so miteinander zu unterhalten. Er trägt dadurch entschieden dazu bei, die große Komik dieses Werkes zu transportieren, die bei anderen (eigentlich größeren) Sängern manchmal etwas verloren zu gehen droht.
Dazu hat er das Glück, in einer ungeheuren temporeichen, von viel Situationskomik geprägten Inszenierung singen zu dürfen, und durchweg gute Bühnenpartner zu haben.
Zu nennen wäre da zum Beispiel Gerald Finley der mich als Almaviva nicht nur stimmlich sondern auch darstellerisch überzeugt und der im Laufe der Handlung immer wütender und aufgebrachter wird, schwimmen ihm doch dank Figaros Einmischung sämtliche erotischen Felle davon. Er ist Figaros idealer Gegenspieler, wie er jung, attraktiv und zu allem entschlossen um sein Ziel zu erreichen.
Hier stehen sich nicht nur Herr und Diener, sondern auch zwei potente Männer gegenüber, die um eine Frau kämpfen.
Die Produktion sprüht vor witzigen Ideen und ich habe selten bei einer Figaro-Aufführung soviel gelacht wie bei dieser. Darüber hinaus aber gibt es auch berührend poetische Augenblicke. Am schönsten vielleicht jener Moment kurz vor Beginn von Barbarinas kleiner Arie im letzen Akt: wir sehen auf der Bühne eine alte Frau mit verstörtem Gesicht, dann setzt die Musik ein, aus dem Schnürboden regnet es Rosen, das Gesicht der alten Frau entspannt sich, wird heiter und sie zum jungen Mädchen während Barbarina zu singen beginnt. Wer weiß, vielleicht eine Anspielung auf eine andere Zeit, auf ein anderes junges Mädchen vor der Hochzeit und einen anderen Grafen Almaviva der auf seinem Recht bestanden hat...
Auch die Frauen sind mit Miah Persson (Susanna) und Dorothea Röschmann (Gräfin) hervorragend besetzt. Rinat Shaham singt und spielt einen hinreißenden Cherubino und überhaupt ist diese Aufführung eine der gelungensten die ich kenne und gerade „Figaro-Anfängern“ dringend ans Herz lege.



Besetzung:
Figaro: Bryn Terfel
Susanna: Alison Hagley
Graf Almaviva: Rodney Gilfry
Gräfin Almaviva: Hillevi Martinpelto
Cherubino: Pamela Helen Stephen
Dirigent: John Eliot Gardiner
Queen Elizabeth Hall, London , 1993

Anders als die Aufführung, von 2006 spielt diese Inszenierung tatsächlich in vorrevolutionären Zeiten und immer wieder schimmert durch, daß man hier einen Tanz auf dem Vulkan tanzt. So etwa, wenn Figaro bei seinem Lied vom Tänzchen des Herrn Grafen dessen hölzernen Perückenkopf ergreift und am künstlichen Haarschopf in die Luft hält. Das Publikum weiß, was Figaro nicht ahnen kann: was nämlich diese Geste knapp 15 Jahre später einmal bedeuten wird. Dennoch wird es nie unangemessen beklemmend oder kommt der revolutionäre Holzhammer zum Einsatz, es ist eben doch alles Komödie. Umso stärker wirken die wenigen Momente in denen die grause Wirklichkeit um die Ecke blickt.

Szenisch wurde hier ein sehr malerischer Figaro auf die Bretter gebracht: das Bühnenbild erinnert je nach Beleuchtung an alte Scherenschnitte, im Bühnenhintergrund ist die ganze Zeit der Garten zu sehen in dem der letzte Akt spielen wird, die Innenräume werden durch verstellbare Wände und wenige Requisiten angedeutet. Musikalisch gibt es zu dieser Aufführung nur eines zu sagen: sie gehört nach wie vor zum besten was derzeit auf Video, DVD und auch CD zu haben ist.
Rodney Gilfry ist ein großartiger Almaviva, der hervorragend singt, hervorragend spielt und ganz unverschämt gut aussieht. Er verkörpert den despotischen Ehemann auf Abwegen ebenso glaubhaft wie den reuigen Sünder. „Contessa perdono...“ habe ich nie so innig gehört, er meint das in diesem Moment vollkommen ernst, egal wie schwach er morgen oder in drei Monaten wieder werden wird.

Alison Hagley ist eine sehr gute, robuste und resolute Susanna, der man anmerkt, daß sie ihr Geld mit körperlicher Arbeit verdient (und nicht nur ein Theater-Kammerkätzchen ist) und in deren Augen manchmal die nackte Angst steht, da sie weiß, daß der Herr Graf durchaus Macht über sie und Figaro hat die er, wenn es er denn wirklich drauf anlegen würde, missbrauchen könnte. Sie versteht es wunderbar, die zwei Seiten von Susannas Charakter musikalisch und darstellerisch glaubhaft zu machen: das muntere Mädchen, das Spaß an Scherz und Verkleidung hat, und die liebende junge Frau, die um ihr Glück kämpft, sich nach Frieden sehnt und doch die Krallen ausfahren kann wenn sie sich verraten glaubt.

Hillevi Martinpelto gefällt mir als Gräfin ebenso gut wie Dorothea Röschmann und wie sie singt und spielt sie die traurige Gattin in der immer noch etwas von dem lebhaften Mädchen, das sie vor wenigen Jahren noch war schlummert, zum Entzücken. Ganz besonders hübsch auch die Szene, in der die vernachlässigte Ehefrau sich ein bisschen in Cherubino verguckt und sich einen Spaß daraus macht, ihn zu verwirren, bis ER schließlich SIE verwirrt.

Zum Schluß Bryn Terfel als Titelheld:
Wie ist der Mann genial. Er ist ein mitreißender Figaro, der nicht ganz so lebhaft über die Bühne springt wie Erwin Schrott und weniger testosterongesättigt und machohaft auftritt, und doch (oder gerade deshalb?) um einiges bedrohlicher wirkt, und der im Übrigen alles mit seiner wunderbaren Stimme ausdrückt. Er ist nicht nur ein aufmüpfiger und kampfbereiter, sondern auch ein besorgter Figaro, dem es, bei aller Komik, nicht nur darum geht, einen Rivalen aus dem Feld zu schlagen, sondern auch, die Frau zu beschützen die er liebt. Überhaupt sind die beiden ein rührendes Liebespaar, wie sie entschlossen sind, sich ihr Glück Gott und der Welt zum Trotz zu erringen.

Ein Kritiker schrieb über diese Aufführung:

"Perhaps this is the near-perfect Figaro we’ve all been waiting for..."
Für mich ist er das ohne Frage.

Da die Aufführung in jeder Hinsicht überzeugt, lohnt auch die Anschaffung der Gesamtaufnahme, die zwar teuer, aber (mal abgesehen von der historischen Aufnahme mit Cesare Siepi von 1954 unter Erich Kleiber), nahezu unerreicht ist.
Bryn Terfel hat vor einiger Zeit verlauten lassen, daß er den Figaro möglicherweise nie mehr singen werde. Das ist mehr als bedauerlich, gut daß es dieses Dokument gibt.
Kleiner Wehrmutstropfen: das Video enthält leider keiner Untertitel, die bei dieser Oper aber erforderlich wären, es sei denn, man verfügt über sehr gute Italienischkenntnisse. Daher wäre die DVD dem Video vorzuziehen.

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Donnerstag, 21. Oktober 2010
Papagenas Opernführer W.A. Mozart Le nozze di Figaro
Heute soll es um meine Lieblingsoper gehen, deren Finale ich vor kurzem bereits ein eigenes kleines Thema gewidmet habe:
„Le nozze di Figaro – Figaros Hochzeit“ von Wolfgang Amadé Mozart.
Die Oper wurde am 1. Mai 1786 in Wien uraufgeführt und basiert auf dem Theaterstück „Der tolle Tag oder: Figaros Hochzeit“ von Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais, das Libretto schrieb Lorenzo DaPonte.
Es ist nicht ganz leicht, die Handlung mit wenigen Worten zu erklären, daher werden es wohl ein paar mehr werden, ich bitte also um etwas Geduld.
Stilistisch haben wir es fast schon mit einer Boulevard-Komödie zu tun: einem turbulenten, witzigen Stück voller Verwechslungen, Situationskomik, Versteckspielen, Männern in Frauenkleidern, Liebe, Eifersucht und Rache. Und doch hat das Werk noch eine andere, ernstere Ebene, denn die Handlung spielt nicht einmal 10 Jahre vor Beginn der französischen Revolution, die ganze Welt wird sich in den nächsten Jahren verändern, und was hier noch Scherz ist, wird einst blutiger Ernst werden. Das pikante daran ist, daß Theaterstück und Oper VOR der Revolution entstanden sind...
Hier also die Handlung:

Wir befinden uns in einem Schloß in der Nähe von Sevilla, man schreibt das Jahr 1780.
Der Schlossherr, Graf Almaviva ist seit einigen Jahre mit Rosina verheiratet, es war eine Liebesheirat, daher hat er anläßlich der Eheschließung
das „Recht der ersten Nacht“ aufgegeben.
Dieses alte Feudalrecht gewährte ihm Anspruch auf die Jungfräulichkeit jedes Mädchens das in seinem Machtbereich geheiratet hat. Deutlicher gesagt: vor dem Ehemann durfte der Graf und die Braut konnte nichts dagegen tun.

Der Graf beginnt, sich in seiner Ehe zu langweilen, und da er promisk veranlagt ist, und Susanna (die Zofe seiner Frau) kurz vor der Eheschließung mit Figaro (seinem Kammerdiener) steht, würde er das alte Recht nur zu gerne wieder einführen, denn Susanna ist ein munteres hübsches Mädchen, das dem Grafen sehr gefällt.
Da er aber das einmal aufgegebene Recht schlecht wieder einführen kann,
versucht er Susanna mit Schmeichelei, schäbigen Tricks und auch Geld rumzukriegen.

Diverses Bühnenpersonal hat aus diversen Gründen viel dagegen: Susanna und Figaro weil sie einander lieben, die Gräfin Almaviva weil sie ihren Mann liebt und es außerdem eine große Demütigung wäre. Aber auch gegen Susannas Ehe wird intrigiert: vom Grafen aus den bekannten Gründen, von Marzellina weil sie Absichten auf Figaro hat, von Dr. Bartolo weil er noch eine alte Rechnung mit Figaro offen hat und ihm eins auswischen will.
Außerdem gibt es noch die Nebenhandlung um den in alle Welt verliebten Pagen Cherubino, der jede Frau im Schloß anschmachtet und vor lauter erotischem Verlangen nicht weiß wohin mit sich und die Gärtnerstochter Barbarina mit der Almaviva vermutlich mehr als nur Händchen gehalten hat.

Susanna, Figaro und die Gräfin verbünden sich miteinander, um Susanna vor dem Grafen zu schützen, ihm einen Denkzettel zu verpassen und, wenn möglich, das Eheglück der Gräfin wieder herzustellen und das Susannas und Figaros zu begründen.

Es folgt nun ein über mehrere Akte gehendes Verwirrspiel mit vertauschten Identitäten, vertauschten Geschlechtern, und verschleierten Absichten bei dem kein Theatertrick ausgelassen wird, einschließlich der Entdeckung, daß Figaro in Wahrheit von edler Geburt und der verlorene Sohn von Marzellina und Bartolo ist.

Die Handlung gipfelt darin, daß Susanna und die Gräfin um Mitternacht im Schloßpark die Kleider tauschen, sodaß der Graf, der an ein Rendez-Vous mit Susanna glaubt, erkennen muß, daß er seine eigene Frau umgarnt hat.
Am Ende löst sich das ganze Chaos in Wohlgefallen und im schönsten Opernfinale auf, das je ein Komponist ersonnen hat: „Contessa perdono...“.
Der Graf gibt seine Absichten auf Susanna (vorerst?) auf und bittet seine Frau beschämt um Verzeihung. Dem Glück von Susanna und Figaro steht nichts mehr im Wege und auch für Graf und Gräfin ist bis auf Weiteres Friede eingekehrt.


Hier nun ein paar Ausschnitte aus verschiedenen Inszenierungen:

„Se vuol ballare...“
Figaro hat soeben von seiner Braut erfahren, daß der Graf sie mit eindeutigen Anträgen verfolgt und sagt ihm den Kampf an: „Wenn sie tanzen wollen Herr Graf, spiele ich dazu die Gitarre...“
Feruccio Furlanetto als Figaro.
http://www.youtube.com/watch?v=2THV4GXppZE

„Porgi amore...“
Die Gräfin betrauert ihr entschwundenes Glück.Renee Fleming als Gräfin:
http://www.youtube.com/watch?v=NToJ2phG7Qk

„Che soave zefiretto...“
Susanne und die Gräfin schreiben einen Brief, der den untreuen Ehemann in eine Falle locken und zur Vernunft bringen soll.
Claire Watson und Reri Grist.
http://www.youtube.com/watch?v=JEkEAaJFCOg&p=2CFD5390B40CE337&playnext=1&index=12

„Deh vieni non tardar..."
Susanna sehnt ihr Glück mit Figaro herbei. Es singt Alison Hagley.
http://www.youtube.com/watch?v=cJHlJdocmnM

Ich hatte das Glück in diesem Sommer in München eine Vorstellung mit Ildebrando D’Arcangelo in der Titelrolle sehen zu dürfen, musikalisch sicher der beste Figaro den ich bisher live erleben durfte. Da ich jedoch hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen, also in der Provinz, wohne, und die Anreise in alle bedeutenden Opernhäuser lang und teuer ist, sind Live-Erlebnisse mit Künstlern von Weltrang ein seltener Luxus für mich. In aller Regel bin ich auf unser Stadttheater oder auf CD und DVD angewiesen.
Ich werde daher in den nächsten Tagen zwei meiner Lieblings-DVDs vorstellen.


Mit „Figaros Hochzeit“ hat Mozart den zweiten Teil von Beaumarchais’ Figaro-Trilogie in Musik gesetzt.
Der erste Teil („Der Barbier von Sevilla“) wurde 30 Jahre später, also 1816, von Gioacchino Rossini vertont. Hier wird die Vorgeschichte erzählt: wie Figaro und Graf Almaviva einander kennenlernten, und wie es kam, daß Rosina, die spätere Gräfin, seine Frau wurde.
Im letzten Teil „Ein neuer Tartuffe oder: Die Schuld der Mutter“ erzählt Beaumarchais dann, wie es mit Figaro und Susanna, dem Grafen und der Gräfin, Cherubino und allen anderen weiterging . Der letzte Teil seiner Trilogie entstand um 1792, also während der französischen Revolution und ist durchaus desillusionierend.
Für die, die es trotzdem wissen wollen:

Gut zwanzig Jahre sind vergangen, Figaro und Susanna sind weiterhin in Diensten des gräflichen Paars, das nun in Frankreich lebt.
Almaviva und die Gräfin hatten einen Sohn (den gab es im „Figaro“ noch nicht) der jedoch im Duell gefallen ist. Die Gräfin hat zudem einen außerehelichen Sohn dessen Vater – Cherubino ist (angeblich als Folge einer Vergewaltigung, aber ich weiß nicht, ich weiß nicht...) während der Graf sich um ein Mündel zu kümmern hat das in Wahrheit seine uneheliche Tochter ist. Wieder gibt es Verwirrungen, wieder geht es um eine Heirat und wieder wird dank Figaro und Susanna alles gut.

Beaumarchais hat einmal über „Die Hochzeit des Figaro“ gesagt
„Oh, wie ich es bedaure, daß ich aus diesem moralischen Thema keine blutige Tragödie gemacht habe. Ich hätte dem gekränkten Gatten, den ich nicht Figaro genannt hätte, einen Dolch in die Hand gegeben und ihn in seiner zornigen Eifersucht mit edler Geste den mächtigen Lüstling erstechen lassen“

Gut, daß er es nicht getan hat, denn Eifersuchtstragödien gibt es auf den Brettern zur Genüge und wer weiß, ob Mozart eine solche vertont hätte.

Noch eines zum Schluß: für den Genuß dieser Oper sind entweder sehr gute Italienischkenntnisse erforderlich, oder aber die heute in den meisten Theatern üblichen Übertitel die es einem ermöglichen, dem Lauf der Handlung zu folgen. Ein Großteil der Komik geht verloren wenn man den Text nicht versteht.

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